Medieninformationen 2007 [LDD]
[35/2007 - 22.06.2007]
„Der Schlüssel zur Lösung des Problems liegt nicht in Dresden“
Interview des Regierungspräsidenten Dr. Henry Hasenpflug mit der Deutschen Presse-Agentur zum Thema „Waldschlößchenbrücke“
Der Regierungspräsident Dr. Henry Hasenpflug hat der Deutschen Presse-Agentur am gestrigen späten Nachmittag ein Interview zum Thema „Waldschlößchenbrücke“ gegeben. Im Folgenden stellen wir den vollen Wortlaut des Interviews zur Verfügung.
Frage: Die Stadt Dresden sucht fieberhaft nach einem Kompromiss, um den UNESCO-Welterbetitel für das Elbtal zu retten. In der kommenden Woche soll dazu ein alternativer, filigranerer Brückenentwurf dem Welterbekomitee vorgestellt werden. Warum unterstützt das Regierungspräsidium diese Bemühungen nicht und treibt stattdessen den Bau derjenigen Brücke voran, die den Titel kosten könnte? Hätte man nicht zumindest mit der Vergabeentscheidung für die Brücke noch bis nach der Sitzung des Welterbekomitees warten können?
Dr. Hasenpflug: Wir haben eine glasklare Rechtslage, und der ist unverzüglich – ich betone: unverzüglich! - zu entsprechen. Danach hat der Bürgerentscheid für den Bau der Waldschlößchenbrücke (WSB) von 2005 Vorrang gegenüber etwaigen Verpflichtungen aus der Welterbekonvention. Diese Sichtweise des Sächsischen Oberverwaltungsgerichtes in Bautzen hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich als korrekt eingeordnet. Ich frage mich, wessen Urteilsspruch die Brückengegner im Dresdner Stadtrat davon überzeugen könnte, dass sie das direktdemokratische Votum der Dresdner Bürger zu respektieren und umzusetzen haben.
Niemand stellt in Abrede, dass ein Kompromiss zwischen dem Weltkulturerbe-Titel und den Vorgaben des Bürgerentscheides für den Bau der WSB wünschenswert ist. Aber Sach- und Rechtslage lassen das augenblicklich nicht mehr zu – jedenfalls nicht so, wie sich das einige Stadträte in Dresden vorstellen.
Wir müssen konstatieren, dass unversöhnliche Gegner des Brückenbaus am Waldschlößchen den Weltkulturerbe-Status des Dresdner Elbtals für ihre Zwecke instrumentalisiert haben.
Heute, nachdem ihnen die Gerichte mehrere Lektionen in Sachen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erteilt haben, stehen sie vor den Trümmern ihrer Verhinderungsstrategie und denken über einen Brückenbau am Waldschlößchen überhaupt erstmals ernsthaft nach. Mit diesem allzu späten Zeitpunkt der Besinnung ist auch verbunden, dass innerhalb der Bindefrist des Bürgerentscheides die sichere Umsetzung eines Neuprojektes völlig unrealistisch ist. Nach dem Februar 2008 aber besteht die Möglichkeit, die Brücke beispielsweise durch einen einfachen Stadtratsbeschluss gänzlich zu verhindern. Das können und werden wir nicht zulassen, denn hier droht schwerer und nachhaltiger Schaden für Rechtsstaat und Demokratie.
Zum Zeitpunkt des Bürgerentscheids über die Waldschlösschenbrücke wussten die Dresdner nicht, dass der Bau der Flussquerung den Titel gefährden würde. Spielt das bei ihren Entscheidungen keine Rolle?
Das Welterbe-Komitee hat 2004 in Kenntnis von Standort, Dimensionierung und Gestalt der Waldschlößchenbrücke entschieden, dass das Dresdner Elbtal mit dieser Brücke den Titel verdient. Niemand konnte absehen, dass das gleiche Komitee bei exakt gleicher Sachlage zwei Jahre später plötzlich ganz anders entscheidet.
Mittlerweile wird von deutschen UNESCO-Vertretern signalisiert, das Komitee könne vielleicht mit einer anderen Brücke einverstanden sein. Da ergibt sich die Frage, wie sich das Komitee dann heute zum Aachener Gutachten von 2006 stellt, das die Grundlage für seine Entscheidung war, das Dresdner Elbtal auf die Liste der bedrohten Welterbestätten zu setzen. Damals hieß es, die Brücke an dieser Stelle zerschneide an den Elbbogen an seiner empfindlichsten Stelle und teile das Elbtal. Wieso ist das beim Brückenentwurf von Schlaich nicht der Fall?
Inzwischen gibt es allerdings auch eine Reihe von Belegen, nach denen das Welterbekomitee 2006 in Vilnius seine Entscheidung zu Lasten Dresdens unter falschen Annahmen getroffen hat. Der Schlüssel zur Lösung des Problems liegt gar nicht in Dresden. Ich appelliere an das Welterbe-Komitee, die Umstände seine Vilniuser Entscheidung von 2006 transparent zu machen und auf korrekten sachliche Grundlagen den Sachverhalt noch einmal abzuwägen.
Kritiker sehen das Ansehen Dresdens, Sachsens und sogar Deutschlands in Gefahr, sollte der Titel nicht gerettet werden können. Sind die möglichen Konsequenzen des Titelverlusts dem Regierungspräsidium egal?
Es ist für mich nicht denkbar, dass – wie gelegentlich kolportiert - das Welterbekomitee andere deutsche Anträge für seinen Titel von vorn herein verwirft oder für die Deutschen die Hürden künftig etwa höher als für andere stellt. Diese Behauptung unterstellt doch, dass das Welterbe-Komitee von vermeintlichen Kränkungen oder von kleinlicher Rachsucht angetrieben sei.
Ich bin mir aber sicher, die Sache lässt sich gütlich regeln, wenn die Umstände der Vilniuser Entscheidung noch einmal umfassend und in aller Öffentlichkeit geprüft werden. Es ist nicht glaubhaft, dass allein die Forderung nach Transparenz und Fairness an das Welterbe-Komitee das Ansehen Dresdens, Sachsens oder Deutschlands in Gefahr bringen sollte.
In Gefahr sind hingegen tatsächlich Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, wenn die Bindefrist des Bürgerentscheides ausläuft, ohne dass der Brückenbau unumkehrbar begonnen wurde. Denn die Dresdner Bürger müssen sich doch fragen, was ihr gesetzlich verbrieftes Recht auf unmittelbare Mitbestimmung in den kommunalen Angelegenheiten wert ist, wenn es den unbelehrbaren Brückengegnern im Stadtrat gelingt, mit Demagogie und juristischen Winkelzügen den Bürgerentscheid und dazu ergangene höchstrichterliche Urteile letztendlich auszuhebeln und den Brückenbau zu verhindern.
Die Stadt Dresden würde sich vertraglich verpflichten, die Brücke auf alle Fälle zu bauen. Wäre ein neues Planfeststellungsverfahren nicht doch noch möglich, wenn dadurch der Titel gerettet werden könnte? Der Bund soll angekündigt haben, sich an den entstehenden Mehrkosten zu beteiligen.
Die Versicherungen des Dresdner Stadtrates, nach Auslaufen der Bindefrist des Bürgerentscheides eine Brücke am Waldschlößchen zu bauen, sind von fraglichem Wert. Die Brückengegner im Stadtrat haben die Möglichkeit, ab März 2008 ihre eigene vertragliche Ver-pflichtung für einen Brückenbau am Waldschlößchen gerichtlich anzugreifen. Niemand kann sie daran hindern und es ist nicht sicher, wie die gerichtliche Prüfung eines solchen Vertra-ges ausgehen wird, denn wir bewegen uns hier auf juristischem Neuland.
Aber das ist nur der eine Aspekt der Sache. Der andere ist: In einen solchen Vertrag können Dritte, die für den Ausgang einer Planfeststellung ebenso wichtig wie der Dresdner Stadtrat sind, nicht eingebunden werden. Eine neue Planfeststellung und der Brückenbau können ebenso gut am Widerstand einzelner Privater oder eines Naturschutzverbandes scheitern.
Ich komme auf den Ausgangspunkt unseres Interviews zurück: Wir haben im Augenblick eine glasklare Rechtslage. Damit haben wir auch einen Handlungsauftrag – und den setzen wir um.