Abteilung Inneres, Soziales und Gesundheit
Arme Sau!
Wie die Landesdirektion Sachsen der Afrikanischen Schweinepest den Kampf ansagt und warum die Wurstbemme dabei eine wichtige Rolle spielt
Brandenburg, Spätsommer 2020: Nahe der deutsch-polnischen Grenze wird ein verendetes Wildschwein gefunden. Schnell bestätigen Proben den schlimmen Verdacht – das Tier war mit der Afrikanischen Schweinepest (ASP) infiziert. Nur wenige Wochen später ist die Seuche auch in Sachsen angekommen, Ende Oktober 2020 wird das erste infizierte Wildschwein im Landkreis Görlitz entdeckt.
Seitdem läuft im Freistaat die Bekämpfung der ASP auf Hochtouren. Im Sozialministerium wurde ein Krisenstab eingerichtet, in den auch Experten sowie Jagd- und Landwirtschaftsverbände einbezogen sind. Als ausführendes Organ des Krisenstabs auf Landesebene wird das Landestierseuchenbekämpfungszentrum (LTBZ) bei der Landesdirektion Sachsen aktiviert. Hier werden die Tierseuchenbekämpfungsmaßnahmen im Freistaat Sachsen koordiniert.
Als ersten Schritt zur Eindämmung der ASP erließ die LDS sogenannte Allgemeinverfügungen, in denen Restriktionszonen festgelegt wurden. In diesen Zonen gelten zahlreiche Einschränkungen, beispielsweise eine Stallpflicht für Schweine, eine Leinenpflicht für Hunde sowie ein vorläufiges Jagdverbot. Später wurden Maßnahmen zu einer größtmöglichen Reduzierung des Schwarzwildbestandes angeordnet.
Bereits im Frühjahr 2020 war entlang der deutsch-polnischen Grenze von Brandenburg bis zum Dreiländereck bei Zittau ein Elektrozaun errichtet worden, mit dem der Grenzübertritt potenziell infizierter Schweine aus Polen verhindert werden sollte. Mitte November 2020 wurde dieser von der Grenze zu Brandenburg bis zur A4 bei Görlitz zusätzlich durch einen Drahtgitterzaun verstärkt. Mit vereinten Kräften, auch von rund 200 Mitarbeitern des Technischen Hilfswerks und 100 Soldaten der Bundeswehr, wurden seither rund 125 Kilometer feste Wildabwehrzäunungen errichtet, weitere Zaunabschnitte sind im Bau beziehungsweise in Planung.
Da die Tierseuche nicht nur direkt von Tier zu Tier, sondern auch indirekt übertragen werden kann, stellt der Mensch insbesondere bei der Verbreitung über weitere Strecken das größte Risiko dar. So erhöht die Mitnahme von Schweineprodukten aus von ASP betroffenen Gebieten nach Deutschland das Infektionsrisiko. Geraten etwa die Reste einer „Wurstbemme“ am Autobahnrastplatz in einen unverschlossenen Mülleimer oder im Wald einfach in die freie Natur, können Wildschweine sich daran infizieren. Das Virus bleibt nämlich besonders bei kalten Temperaturen äußerst lange infektiös – in einem luftgetrockneten Serranoschinken zum Beispiel rund 140 Tage. Und: Wer ein totes Wildschwein entdeckt, sollte dies unverzüglich den Behörden melden.
Drei Fragen an Dr. Michael Richter
Dr. Michael Richter ist Leiter des Referats „Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung“ der Landesdirektion Sachsen. Der Tierarzt leitet zusammen mit einem Kollegen aus dem Sozialministerium auch das Landestierseuchenbekämpfungszen-
trum (LTBZ).
Herr Dr. Richter, wie können wir uns die tägliche Arbeit im LTBZ vorstellen?
Die Seuchenbekämpfung erfordert ein abgestimmtes Vorgehen vieler Beteiligter, u. a. der Mitarbeiter der Landkreisverwaltungen, des Staatsbetriebs Sachsenforst, der Bundeswehr und des Bundesforsts. Dies koordinieren wir im LTBZ. Die Organisation im LTBZ ist mit der eines klassischen Kata-
strophenstabs vergleichbar. Jeder Mitarbeiter hat ein spezielles Aufgabengebiet. Manche sind meist im Außeneinsatz in den betroffenen Gebieten unterwegs, andere erledigen den Innendienst. Es gibt natürlich regelmäßige Lagebesprechungen mit allen Beteiligten, damit alle immer auf dem aktuellen Stand sind. Wichtig sind auch unsere Mitarbeiterinnen in der Fernmeldezentrale, die alle im Krisenpostfach eingehenden Mails sortieren, weiterverteilen und in unser Katastrophenschutzprogramm DISMA übertragen. Kadaverfunde, Untersuchungsergebnisse, Informationen zum Zaunbau – da kommen pro Tag schon mal einige Dutzend Meldungen zusammen.
Welche Maßnahmen wurden bis jetzt getroffen, um die Afrikanische Schweinepest einzudämmen?
Die wichtigsten Maßnahmen sind die Festlegung der Restriktionszonen mit den dazugehörigen Einschränkungen und natürlich der Zaunbau. Außerdem werden regelmäßige intensive Fallwildsuchen betrieben, um tote Wildschweine möglichst schnell aus dem Wald zu schaffen, da diese höchst infektiös für andere Wildschweine sind. Mittlerweile haben sich auch neue Maßnahmen in der Seuchenbekämpfung etabliert, wie Kadaver-Suchhunde und Drohnen mit Wärmebildkameras. Die sächsische Jägerschaft hilft uns dabei, die Wildschweinpopulation möglichst klein zu halten, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern.
Was sind die besonderen Herausforderungen bei der Bekämpfung der ASP?
Leider ist bei dieser speziellen Tierseuche bisher keine Impfung möglich, was die Bekämpfung insgesamt schwierig macht. Hinzu kommt, dass Wildschweine durch den Klimawandel und die landwirtschaftlichen Strukturen hierzulande immer bessere Bedingungen vorfinden und kaum natürliche Feinde haben. Dementsprechend gibt es sehr viele Tiere und große Rotten. Man muss leider auch feststellen, dass es an den Sperrzäunen Schwachstellen gibt, da diese vor allem in Ortschaften und bei Straßenquerungen, aber auch durch Diebstahl, Vandalismus oder Verkehrsunfälle nie hundertprozentig dicht sind. Wir geben aber unser Bestes, um die Seuche unter Kontrolle zu bekommen. [Referat Veterinärwesen, Lebensmittelüberwachung]
Seitdem läuft im Freistaat die Bekämpfung der ASP auf Hochtouren. Im Sozialministerium wurde ein Krisenstab eingerichtet, in den auch Experten sowie Jagd- und Landwirtschaftsverbände einbezogen sind. Als ausführendes Organ des Krisenstabs auf Landesebene wird das Landestierseuchenbekämpfungszentrum (LTBZ) bei der Landesdirektion Sachsen aktiviert. Hier werden die Tierseuchenbekämpfungsmaßnahmen im Freistaat Sachsen koordiniert.
Als ersten Schritt zur Eindämmung der ASP erließ die LDS sogenannte Allgemeinverfügungen, in denen Restriktionszonen festgelegt wurden. In diesen Zonen gelten zahlreiche Einschränkungen, beispielsweise eine Stallpflicht für Schweine, eine Leinenpflicht für Hunde sowie ein vorläufiges Jagdverbot. Später wurden Maßnahmen zu einer größtmöglichen Reduzierung des Schwarzwildbestandes angeordnet.
Die Afrikanische Schweinepest (ASP)
- wurde vermutlich aus Afrika nach Georgien eingeschleppt und breitete sich von dort aus immer weiter westwärts in Europa aus.
- befällt ausschließlich Haus- und Wildschweine und verläuft in den allermeisten Fällen tödlich.
- ist für den Menschen ungefährlich.
- wird direkt von Tier zu Tier oder indirekt, zum Beispiel durch kontaminierte Fleischerzeugnisse, übertragen.
- wird von einem Virus verursacht, welches in unerhitzten Schweinefleischprodukten monatelang und in tiefgekühlten jahrelang überleben kann. Maßnahmen zu einer größtmöglichen Reduzierung des Schwarzwildbestandes angeordnet.
Bereits im Frühjahr 2020 war entlang der deutsch-polnischen Grenze von Brandenburg bis zum Dreiländereck bei Zittau ein Elektrozaun errichtet worden, mit dem der Grenzübertritt potenziell infizierter Schweine aus Polen verhindert werden sollte. Mitte November 2020 wurde dieser von der Grenze zu Brandenburg bis zur A4 bei Görlitz zusätzlich durch einen Drahtgitterzaun verstärkt. Mit vereinten Kräften, auch von rund 200 Mitarbeitern des Technischen Hilfswerks und 100 Soldaten der Bundeswehr, wurden seither rund 125 Kilometer feste Wildabwehrzäunungen errichtet, weitere Zaunabschnitte sind im Bau beziehungsweise in Planung.
Da die Tierseuche nicht nur direkt von Tier zu Tier, sondern auch indirekt übertragen werden kann, stellt der Mensch insbesondere bei der Verbreitung über weitere Strecken das größte Risiko dar. So erhöht die Mitnahme von Schweineprodukten aus von ASP betroffenen Gebieten nach Deutschland das Infektionsrisiko. Geraten etwa die Reste einer „Wurstbemme“ am Autobahnrastplatz in einen unverschlossenen Mülleimer oder im Wald einfach in die freie Natur, können Wildschweine sich daran infizieren. Das Virus bleibt nämlich besonders bei kalten Temperaturen äußerst lange infektiös – in einem luftgetrockneten Serranoschinken zum Beispiel rund 140 Tage. Und: Wer ein totes Wildschwein entdeckt, sollte dies unverzüglich den Behörden melden.
Drei Fragen an Dr. Michael Richter
Dr. Michael Richter ist Leiter des Referats „Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung“ der Landesdirektion Sachsen. Der Tierarzt leitet zusammen mit einem Kollegen aus dem Sozialministerium auch das Landestierseuchenbekämpfungszen-
trum (LTBZ).
Die Seuchenbekämpfung erfordert ein abgestimmtes Vorgehen vieler Beteiligter, u. a. der Mitarbeiter der Landkreisverwaltungen, des Staatsbetriebs Sachsenforst, der Bundeswehr und des Bundesforsts. Dies koordinieren wir im LTBZ. Die Organisation im LTBZ ist mit der eines klassischen Kata-
strophenstabs vergleichbar. Jeder Mitarbeiter hat ein spezielles Aufgabengebiet. Manche sind meist im Außeneinsatz in den betroffenen Gebieten unterwegs, andere erledigen den Innendienst. Es gibt natürlich regelmäßige Lagebesprechungen mit allen Beteiligten, damit alle immer auf dem aktuellen Stand sind. Wichtig sind auch unsere Mitarbeiterinnen in der Fernmeldezentrale, die alle im Krisenpostfach eingehenden Mails sortieren, weiterverteilen und in unser Katastrophenschutzprogramm DISMA übertragen. Kadaverfunde, Untersuchungsergebnisse, Informationen zum Zaunbau – da kommen pro Tag schon mal einige Dutzend Meldungen zusammen.
Welche Maßnahmen wurden bis jetzt getroffen, um die Afrikanische Schweinepest einzudämmen?
Die wichtigsten Maßnahmen sind die Festlegung der Restriktionszonen mit den dazugehörigen Einschränkungen und natürlich der Zaunbau. Außerdem werden regelmäßige intensive Fallwildsuchen betrieben, um tote Wildschweine möglichst schnell aus dem Wald zu schaffen, da diese höchst infektiös für andere Wildschweine sind. Mittlerweile haben sich auch neue Maßnahmen in der Seuchenbekämpfung etabliert, wie Kadaver-Suchhunde und Drohnen mit Wärmebildkameras. Die sächsische Jägerschaft hilft uns dabei, die Wildschweinpopulation möglichst klein zu halten, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern.
Was sind die besonderen Herausforderungen bei der Bekämpfung der ASP?
Leider ist bei dieser speziellen Tierseuche bisher keine Impfung möglich, was die Bekämpfung insgesamt schwierig macht. Hinzu kommt, dass Wildschweine durch den Klimawandel und die landwirtschaftlichen Strukturen hierzulande immer bessere Bedingungen vorfinden und kaum natürliche Feinde haben. Dementsprechend gibt es sehr viele Tiere und große Rotten. Man muss leider auch feststellen, dass es an den Sperrzäunen Schwachstellen gibt, da diese vor allem in Ortschaften und bei Straßenquerungen, aber auch durch Diebstahl, Vandalismus oder Verkehrsunfälle nie hundertprozentig dicht sind. Wir geben aber unser Bestes, um die Seuche unter Kontrolle zu bekommen. [Referat Veterinärwesen, Lebensmittelüberwachung]